Andreas Döllerer: Alpenküche

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Mai 2017

Cuisine Alpine

Interview mit Andreas Döllerer, Küchenchef und Patron von „Döllerers Genusswelten“ in Golling, südlich von Salzburg

Herr Döllerer, der Betrieb ihrer Familie bietet dem Gast ein breites Spektrum, das man so nicht überall findet; es erstreckt sich von der Metzgerei über das traditionelle Wirtshaus bis hin zum Restaurant mit Avantgardeküche „Cuisine Alpine“, verbunden mit einem Hotel, einer Enoteca und einer Weinhandlung, das alles zusammengefasst unter dem Begriff „Döllerers Genusswelten.“ Wie kam es zu dieser ungewöhnlichen Palette?

Mein Onkel Raimund und mein Vater Hermann hatten in den siebziger Jahren den Betrieb von meinem Großvater übernommen. Der Onkel kümmerte sich um die Metzgerei, mein Vater um das Wirtshaus. Der gastronomische Betrieb konzentrierte sich vorläufig auf den breiten Tourismus. Es gab Schnitzel mit Gemüse aus der Dose, bis man sich in den frühen Achtzigern entschied, das Wirtshaus in ein Restaurant mit feiner Küche zu verwandeln, in der alles frisch zubereitet wird. Mit dem Restaurant entwickelt sich auch der Weinhandel. Dann teilten wir die Gastronomie auf: in Wirtshaus und Restaurant, wobei da wie dort alles frisch gekocht wurde.

Andreas Döllerer

Welche Überlegung steckte dahinter, das Wirtshaus neben dem Restaurant wieder einzuführen?

Vorläufig befanden sich Wirtshaus und Restaurant in einem großen Raum, nur in der Mitte voneinander getrennt. Wir wollten wieder ein breiteres Publikum ansprechen. Der Fahrradfahrer, der im Wirtshaus einfach Würstl aus der Metzgerei isst, sollte ebenso Platz finden wie der Gast, der nach einer feineren Küche sucht. Unsere Wirtshaushausküche war jetzt allerdings nicht mehr dieselbe wie in den Siebzigern, sie bot nun traditionelle österreichische Küche aus besten regionalen Produkten, handwerklich zubereitet – und das bekommt man heutzutage nicht mehr überall.

Wir nutzen heute die Vorteile der eigenen Metzgerei und wir pflegen unter anderem eine Innereikultur; wir servieren vor allem Kalbsinnereien, wie Beuschel, Bries, Niere und so fort. Die Niere wird im Ganzen im eigenem Fettmantel rosa gebraten, kombiniert mit einer Senfsoße; wir nehmen uns zudem viel Zeit, ein Gulasch zuzubereiten oder eine geschmorte Rehschulter mit Holunder. Viele Gäste kommen zu uns, weil sie so etwas woanders nicht mehr bekommen.

Hatte die Zweiteilung Wirthaus-Restaurant somit auch einen ökonomischen Aspekt?

Es war auf jeden Fall eine gute Entscheidung. Ohnehin kommen die Gerichte für das Wirtshaus sowie für das Restaurant aus einer Küche. 2012 haben wir umgebaut. Nun liegt die Küche genau zwischen Wirtshaus und Restaurant und bedient wie eh und je beides. Unsere Köche lernen viel: von der traditionellen Schmorküche bis hin zur Avantgardeküche „Cuisine Alpine“. Es ist heute schwer, Köche lediglich für das Wirtshaus zu finden; für das Gourmetrestaurant ist das einfacher. Umgekehrt jedoch gilt: Einen Gast ins Wirtshaus zu locken, ist leicht; für das Gourmetrestaurant ist das schwieriger. Bei uns stimmt die Mischung. Uns mangelt es weder an Gästen noch an Köchen. Die Stammgäste besuchen häufig das bewährte Wirtshaus; doch zu besonderen Anlässen auch das Restaurant, wo ich als Küchenchef eine ganz eigene Handschrift entwickeln kann.

Wie hat sich im Restaurant die „Cuisine Alpine“ herausgebildet?

Kurz nach der Jahrtausendwende verbrachte ich meine Lehr- und Wanderjahre unter anderem im Drei-Sterne-Restaurant von Schloss Lerbach in Bergisch Gladbach unter Küchenchef Dieter Müller. Es herrschte dort noch die Tradition der französischen Haute Cuisine vor, mit feinen Saucen, edlen Meeresfischen und Krustentieren. Als ich dann daheim als Küchenchef begann, orientierte ich mich an dieser Hochküche und traute vorerst der Alpenregion kein eigenes kulinarisches Potential zu.

Was führte die Wende herbei?

Irgendwann wurden Steinbutt und Seezunge so teuer, dass wir hier in Golling nicht mehr vernünftig damit kalkulieren konnten. Die Wende vollzog sich gewissermaßen aus der Not heraus. Ich wagte es fortan, mit heimischen Süßwasserfischen zu arbeiten; wir bezogen sie von einem örtlichen Züchter, dessen Teiche über kühles, sauerstoffreiches Gebirgswasser verfügen. Er belieferte uns von etwa 2007 an täglich mit frischem Fisch, anfänglich mit Forellen und Saibling; bis sich das Angebot langsam vermehrte und wir uns auch an andere regionale Züchter und Fischer wandten. So können wir heute auf vielerlei Salmoniden zurückgreifen, wie Huchen, Äschen, Reinanken, ebenso auf barschartige Fische wie Zander und Flussbarsch. Nach Steinbutt und Seezunge fragt bei uns niemand mehr.

Was kam dann noch dazu?

Kühles sauberes Wasser ist ein wesentliches Element der Gebirgsregion, wichtig für die Süßwasserfische, aber auch für saftige Wiesen und Almen. Neben den Süßwasserfischen sind Alpenmilch und Milchprodukte hervorzuheben. Der Bauer, mit dem wir zusammenarbeiten, hält Jersey Rinder, die über eine besonders fettreiche Milch verfügen, dazu grasen die Tiere im Sommer auf der Hochalm, wo sie mehr aromareiche Kräuter als Gräser fressen, und im Winter wird im Stall nur Heu gefüttert, kein Kraftfutter. Wir beziehen von unserem Milchbauern auch ausgezeichneten Rahm, Butter, Buttermilch und Frischkäse oder Schottenkäse, eine regionale Besonderheit, indem die Molke ein zweites Mal gesäuert wird und erneut ein Bruch entsteht.

Schließlich begannen wir, die wilde Natur des Hochgebirges zu erschließen und neben wilden Tieren, Gams, Steinbock, Rothirsch, auch wilde Pflanzen sowie Mineralien für die Küche zu nutzen. Wir verrühren etwa den Salzteig mit feinem Gletschersand und ummanteln damit Gemüse wie Fenchel. Das Ganze wird im Ofen bei 180 Grad Celsius gebacken, bis der Fenchel leicht cremig ist und wunderbar mineralisch schmeckt – der Gout des Gebirges. So setzen wir in der Küche lokale Akzente, die unverwechselbar sind. Der Gast fühlt sich eingebettet in die Landschaft.

www.doellerer.at

Zuerst erschienen in der Allgemeinen Hotel- und Gastronomie-Zeitung (AHGZ)