Kevin Fehling im the table

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Oktober 2018

Gastronomische Gründergeneration

Kevin Fehling gibt beim Köche- und Gastronomie-Symposium Chefdays in Berlin freimütige Einblicke in sein Leben und seine Arbeit als selbständiger 3-Sterne-Gastronom im „The Table“ in Hamburg

 

Die Start-up-Unternehmen der Digitalwirtschaft sind in aller Munde, von der Politik gern als Vorzeigeobjekte gehätschelt. Doch es gibt auch in der Gastronomie eine Gründergeneration, die nicht weniger einfallsreich und wegweisend ist – vielleicht sogar noch näher dran an den Themen unserer Zeit: Nachhaltigkeit und Lebensart, so natürlich einfach wie kulturell raffiniert.

Zumindest lässt sich in Metropolen wie Berlin oder Hamburg erkennen, dass sich zunehmend mehr gut ausgebildete junge Leute aus der Gastronomie selbstständig machen. Ein Paradebeispiel ist Kevin Fehling. Nach seiner Kochlehre arbeitete er unter anderem zwei Jahre auf einem Schiff, der MS Europa, sah die weite Welt und lernte fremde kulinarische Horizonte kennen. Ebenso führten ihn die Lehr- und Wanderjahre in das Drei-Sterne-Restaurant Schwarzwaldstube in Baiersbronn unter der Leitung von Harald Wohlfahrt, bis er schließlich als Küchenchef selbst drei Sterne erhielt im Restaurant „La belle Epoque“ im Columbia Hotel (heute Atlantic Grand Hotel) in Travemünde.

Kevin Fehling
© René Riis

Bei den „Chefdays“ in Berlin trat er kürzlich auf die Bühne – und zwar nicht um zu kochen, sondern um vor dem vorwiegend jungen Publikum der gastronomischen Branche von seinem Weg in die Selbstständigkeit zu erzählen. Manches ergänzte er dann noch hinterher exklusiv im Gespräch mit der AGHZ. Von jeher, so erklärte er in Berlin, wollte er als Koch nicht nur mitlaufen, sondern etwas Besonderes machen und ein Leben führen, dass er selbst wertschätzen könne: kreativ, mit angemessenem Gehalt, ausreichender Erholung und fortlaufender Freude am Beruf.

Als eigener Herr und Patron konnte er das natürlich besser umsetzen denn als Angestellter. Die Planung für sein eigenes Restaurant „The Table“ in der Hafen-City in Hamburg, eröffnet im Sommer 2015, dauerte etwa ein dreiviertel Jahr. Zuvor war er einmal als privater Gast-Koch in einer großen Villa in Aachen engagiert worden. Dabei war die Küche offen zum Speisezimmer hin: Koch, Service und Gäste rückten nahe aneinander und sorgten gemeinsam für gute Stimmung. Das inspirierte ihn, ein Lokal zu schaffen, in dem Koch, Service und Gäste vereint sind: in einem einzigen Raum, esszimmer-ähnlich, kommunikativ, ungezwungen, natürlich, menschlich.

Im „The Table“ stehen Tisch und Herd nebeneinander, nicht in Form einer Küchenbar, in der der Gast am Tresen sitzt, sondern er nimmt an einem großen langen Tisch Platz, der sich durch den Raum schlängelt und 22 Personen Platz bietet. Dahinter ist, ohne Schranke, die Küche mit dem Herd und anderen Utensilien. Jeder Gast kann für sich sein, wenn er will, oder die Gemeinschaft genießen.

The Table: Restaurant und Küche gehen frei ineinander über
© The Table Kevin Fehling

Die Spitzengastronomie legt das Hoch-Formelle ab und sucht nach entspannteren Formen, die zeitgemäßer sind. Auch der Küchenchef und Patron will angenehmer und zeitgemäßer als die Kollegen früherer Generationen, als der Fünfzehnstundentag in der Küche keine Seltenheit war und bestenfalls ein einziger freier Tag in der Woche zur Verfügung stand.

Im „The Table“ arbeiten sechs Köche, einschließlich Fehling selbst, drei Leute im Service, ein Spüler und die Assistentin des Chefs, die für Büroarbeit, Steuererklärung oder Social Media zuständig ist. Jeder arbeitet am Tag etwa neun Stunden und jeder hat zwei Tage in der Woche frei. Es geht dabei nicht darum, sich vor staatlichen Arbeitszeitregelungen zu fürchten, vielmehr kommt es darauf an, überhaupt ein Umfeld und Klima zu schaffen, das heutzutage junge Leute in die Gastronomie lockt.

Der Chef selbst steht morgens um 9.30 Uhr auf und frühstückt gemütlich mit seiner Frau. Er wohnt außerhalb von Hamburg und erscheint dann, je nach Lage, zwischen 12.00 und 14.00 Uhr im Restaurant, spricht kurz mit dem Sous-Chef und dann mit der Assistentin. Am Nachmittag wird in der Küche das Abendgeschäft vorbereitet. Um 17.30 Uhr sitzt die gesamte Crew zusammen und isst. Man versteht sich gut. Kurze Zeit später kommen die ersten Gäste.

Für die Gründung des Lokals verfügte Fehling über Erspartes, beraten von seiner Mutter, einer Bankerin. Ein Bankkredit über rund 350.000 Euro tat ein Übriges. Stille Teilhaber waren nicht nötig. Doch der Gewinn der ersten zwei Jahre musste weitgehend wieder in den Betrieb gesteckt werden, weil noch dieses und jenes zu machen war und das Finanzamt Vorauszahlungen verlangte. Etwas leichter, findet Fehling, sollte es der Staat gastronomischen Unternehmensgründern schon machen. Ohne ein gewisses eigenes finanzielles Polster und gut laufende Geschäfte von Beginn an wird es schwierig. Glücklicherweise ist das „The Table“ jeden Tag etwa ein Jahr im Voraus ausgebucht. Und Gäste, die buchen und nicht erscheinen, sind äußerst selten. Bislang in drei Jahren zwölf Leute.

Hilfreich ist es beim Weg in die Selbstständigkeit, wenn sich der Patron vorher schon als Angestellter in der Gastronomie einen Namen gemacht hat, was bei Fehling der Fall war, als Drei-Sterne-Koch im „La belle Epoque“ in Travemünde. Und nicht minder förderlich war, dass er diese hohe Auszeichnung prompt auch wieder für sein eigenes Restaurant „The Table“ erhielt. Das ersparte dem Betrieb einiges an Marketingausgaben. Doch auch die Personalkosten bleiben für ein Drei-Sterne-Restaurant im Rahmen. Sechs Köche sind für diese Kategorie bei 22 Gästen pro Abend nicht allzu viel.

Es kommt nicht zuletzt darauf an, konzeptuell Neues zu wagen. Das betraf im „The Table“ vor allem die Lokalform, die wohnzimmer-ähnliche, fast private Atmosphäre, die die Gourmandise auf neue Weise erlebbar macht. Kulinarisch blieb Fehling mehr oder minder jenem Stil treu, den er auch schon im „La belle Epoque“ gepflegt hatte, und der seiner Biographie entspricht: eine weltoffene Küche, die Einflüsse und Waren aller Kontinente nutzt. Doch in Hamburg, der großen Hafenstadt, ist diese Art der Kochkunst gleichsam auch lokal verankert – gilt doch die Hansestadt als das Tor zur Welt.

Erwin Seitz

Erschienen in der Allgemeinen Hotel- und Gastronomie-Zeitung (AHGZ)