Warenkunde, Oktober 2015
Zu Besuch bei Lachsfarmern
Lachs aus Schottland
Wenn man mit dem Mietwagen den Flughafen von Glasgow verlässt und nordwestlich in die Region der „Highlands“ und „Islands“ fährt, wird die Straße bald ziemlich eng. In der Regel verläuft die Route am schmalen Ufersaum der Binnenfjorde und Seen, während auf der wasserabgewandten Seite hohe Bergwände aufsteigen. Der Fahrer muss in den kurvigen Passagen höllisch aufpassen, dass entgegenkommende Fahrzeuge das eigene nicht rammen. Das Gebot heißt: Langsam fahren!
Langsamkeit, urtümliche Naturnähe, Wassernähe, reißende Bergbäche, Meeresfjorde, die der Ebbe und Flut unterliegen: das sind hier die Stichworte. Schneligkeit, Tempo, Industrie können sich nicht ausbreiten, weil das Gelände schlicht zu unwegsam ist. Es handelt sich um ein ideales Terrain für traditionelle, nachhaltige Lebensmittelerzeugung.
Man sieht immer wieder Schafe und Rinder, die die Hügel hinauf grasen. Zugleich ist die Verbindung von blitzsauberem, kühlem und sauerstoffreichem Wasser, das die Bergflanken hinunterschießt, und der Meeresfjorde, die durch Ebbe und Flut ständig in Bewegung sind, für die naturnahe Lachszucht geeignet, denn dafür braucht man, dem natürlichen Lebensrhythmus dieser Fischart entsprechend, beides: zuerst Süßwasser, dann Meerwasser.
Anfänglich waren es vor rund fünfzig Jahren die Norweger, die die Technik und das Know-how der Lachszucht entwickelten. Doch die Schotten warteten nicht lange damit, es den Norwegern an der eigenen nordwestlichen Atlantikküste gleichzutun. Mehr noch: Der schottische Zuchtlachs sollte von besonderer Güte sein. Man entwickelte für den „Scottish Salmon“ den „Code of Good Practice“, den der Dachverband „Scottisch Sea Farms“ hütet. Verbindlich ist für alle dortigen Lachszüchter die ständige Überprüfung der Wasserqualität und der Gesundheit der Tiere.
Von Glasgow aus kommt man nach zwei Stunden Fahrt in Oban an, das malerisch an einer halbkreisrunden Meeresbucht liegt. Am nächsten Morgen machte hier die Fähre die Leinen los, um die Leute auf die Isle of Mull zu bringen. Die Morgensonne breitet ein rosafarbenes Licht auf dem Wasser aus, es ist, als gleite man durch eine Traumregion.
Auf der Isle of Mull befindet sich bei Knock eine Lachsfarm, die mit kühlem Süßwasser versorgt wird, das aus den Bergen herabfließt. Lachseier, die aus Norwegen und Irland stammen, liegen dort rund sechs Wochen in Brutschränken mit durchlässigen Edelstahlschubläden, durch die das sauerstoffreiche Wasser fließt. Wenn das Eiweiß der Eier aufgezehrt ist, ziehen die Setzlinge in eine Halle mit Aufzuchtbecken um und werden mit gemahlenen Peletts gefüttert.
Sowohl das kühle sauberstoffreiche Süßwasser, das im Jahresdurchschnitt etwa 10 Grad Celsius hat, als auch die Qualität der Peletts entscheiden über Gesundheit und Güte der Jungfische. Sie wirken quicklebding; der Einsatz von Medikamenten und Antibiotika, so wird versichert, sei nicht nötig. Es geht um gemäßigtes Wachstum der Smolts, wie man die Jungfische nennt, nicht um Turbotempo.
Insgesamt gibt es rund hundert schottische Lachsfarmen auf dem Land und etwa zweihundertfünfzig im Meer. Denn nach zwölf bis vierzehn Monaten werden die Junglachse, die bis dahin das Süßwasser gewohnt waren, in Meeresgehege mit Salzwasser umgesetzt. Ein solches Meergehege findet man an der Nordküste der Isle of Mull. Es handelt sich dort um acht viereckige Netzgehege mit jeweils 24 mal 24 Metern an Umfang und 15 Metern an Tiefe. Die Lachse können sich darin ständig im Kreis bewegen und gegen die Meeresströmung schwimmen, was die Muskulatur des Fleisches stärkt.
Unterwasserkameras in jedem Gehege, die ständig überprüft werden, zeigen an, ob sich die Fische gut und harmonisch bewegen und gesund wirken. Gegebenenfalls können Futterzufuhr und Besatzdichte verändert werden. Die Lachse bleiben knapp zwei Jahre in diesen Gehegen, welche Netze aus Naturstoff umschließen. Nach rund dreien Jahren Zucht in Süß- und Salzwasser haben sie ein Gewicht von etwa fünf Kilo und werden mit einen Tank-Boot zum Schlachthaus gefahren. Das Schlachten verläuft verhältnismäßig stressfrei, denn die Fische schwimmen selbst ins Schlachthaus.
Ein solcher Zuchtlachs hat gegenüber dem Wildlachs durchaus Vorteile. Das Schlachten verläuft stressfrei, und zwar zu einem Zeitpunkt, bei dem der Fisch voll im Fleisch ist. Ein nicht geringer Teil der schottischen Zuchtlachse erhält sogar das französische Gütesiegel „Label rouge“, das für nachhaltige Zucht und erstklassische Fleischqualität bürgt. In diesem Fall müssen die Peletts mindestens fünfzig Prozent artgerechtes Futter von maritimer Herkunft enthalten, Fischöl und Fischmehl, der übrige Teil kann aus Sojabohnenschrot und dergleichen bestehen.
Schottischer Lachs mit dem „Label rouge“-Gütesiegel schmeckt tatsächlich exzellent, reintönig und aromatisch. Das Fleisch ist angenehm fest und geschmeidig, besonders gut auch für die rohe Verarbeitung geeignet, für Sashimi oder Carpaccio. In Deutschland bietet beispielsweise Frischparadies – ob in in den Märkten, ob im Onlineshop ( www.frischeparadies.de oder www.frischeparadies-shop.de ) – unter dem eigenen Markennamen „Glen Douglas Lachs“ schottischen Lachs mit „Label-rouge“-Gütesiegel an, wobei Bauchlappen und Schwanzstück schon leicht getrimmt und gut zugeschnitten sind.
Weitere warenkundliche Informationen solcher Art finden sich in meinem Buch:
Erwin Seitz: Naturnahes Kochen – einfach, gut, gesund. Rezepte und Warenkunde. Insel, Berlin 2018
„Schlichte Rezepte aus besten Zutaten empfiehlt Erwin Seitz in diesem erfrischend diättrendfreien Buch.“ Claire Beermann, ZEIT Magazin
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