Meister der Käsespätzle

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Porträt: Jürgen Hallerbach, August 2014

Meister der Käsespätzle

Er verwirklicht am Bodensee das Ideal regionaler Küche

Das Schlagwort der regionalen Küche ist bei vielen Gästen beliebt. Gerade der globale Horizont, in dem wir längst alle leben, fordert gleichzeitig eine regionale Orientierung heraus, um im großen Ganzen einen Halt zu finden. Globalität und Regionalität sind quasi ein Zwillingspaar, bei dem der eine Teil den anderen inspiriert. Die Lust auf neue Waren, neue Ideen gilt für die globale wie regionale Linie. So mancher Koch vertieft sich mehr denn je in die kulinarischen Möglichkeiten der eigenen Landschaft, damit der Gast etwas davon schmecken kann.

Jürgen Hallerbach redet nicht nur von der regionalen Küche, er arbeitet sich vielmehr mit großer Konsequenz in das Thema hinein. Gemeinsam mit seinem Bruder Frank betreibt er das Hotel Seehof in Immenstaad am Bodensee. Während der Bruder den Service leitet, ist er für die Küche zuständig. Bevor sie beide den elterlichen Betrieb Mitte der Neunziger übernahmen, schauten sie über den Tellerrand hinaus und lernten bei großen Meistern. Der gastronomische Gedanke des Regionalen erwuchs nicht aus provinzieller Beschränktheit, sondern aus weltläufiger Erfahrung heraus.

Seine Kochlehre absolvierte Jürgen Hallerbach      in der legendären Kaderschmiede des Hotels Colombi in Freiburg unter Küchenchef Alfred Klink. „Ich habe nie gelernt, was Pfusch ist“, erklärt Hallerbach, „denn meine erste Erfahrung als Koch unter Klink war grundsolides, genaues Handwerk, das Kochen mit frischen Zutaten und überlegten Methoden des Garens.“

Die nächste Etappe war gleich ein Haus mit drei Michelin-Sternen: in Illhäusern bei Paul Haeberlin. Hallerbach beeindruckte, wie der Maître die Köche führte: mit Menschlichkeit; ferner: mit welcher Sorgfalt Saucen angesetzt wurden. Es folgten weitere Häuser mit drei Michelin-Sternen: in London bei Albert Roux sowie in Mailand bei Gualtiere Marchesi. Gerade der Letztere versuchte, Gourmetküche mit Traditionsküche zu verbinden, berühmt für seinen Risotto mit Gold und Safran.

Als Hallerbach nach Immenstaad zurückkehrte, wollte er kein Gourmetrestaurant mit fünf Tischen betreiben und sich dafür völlig verausgaben. „Mein Bruder und ich“, sagt er, „ wollten ein Gasthaus, das lebt. Wir wollten für viele Gäste kochen, einen guten Standard bieten.“ Solche Worte sind natürlich eine gewisse Untertreibung, denn der Standard ist nicht gut, sondern exzellent.

Daheim angekommen, fragte sich Hallerbach: Wie muss man in der Bodenseeregion kochen? Welches Gericht könnte die kulinarische Eigenheit der Gegend so genial ausdrücken wie der Risotto die kulinarische Tradition der Poebene? Es lief auf die Käsespätzle zu – würdig, in einem Haus mit exzellentem Standard serviert zu werden: täglich frisch gemacht.

Zuerst suchte der Maître dafür nach dem besten regionalen Zutaten, die von sich aus viel Geschmack mitbringen. Er stieß früher oder später auf die traditionsreiche Stelzenmühle in Bad Wurzbach, die ihm ein etwas gröber gemahlenes Mehl aus Weizen und Dinkel liefert. Die Eier stammen von einem Geflügelhof mit Bodenhaltung. In den Teig kommen viele frisch aufgeschlagene Eier, so dass kein Wasser mehr nötig ist, um den Teig geschmeidig zu machen. In der Rührmaschine wird er gut geknetet, in der Regel zweimal täglich, morgens und nachmittags, anschließend entweder vom Brett in sprudelndes Wasser geschabt oder in Form von Knöpfle gehobelt. Das Spätzle-Wasser ist schließlich die Grundlage für die Käsesauce. Dafür werden nur große Käselaibe verwendet und in der Küche gerieben, vorwiegend aus der Region: Bergkäse aus dem Allgäu und aus Vorarlberg, ferner Appenzeller sowie, aus dem weiteren Umkreis, Greyerzer.

Der Gast sitzt auf der schattigen Terrasse vor dem Yachthafen und strahlt, wenn die nette Kellnerin die „Käsespätzle mit vielerlei Alpenkäse, Zwiebelschmelze und Blattsalaten“ auf den Tisch stellt. Die Teigware ist von wunderbar elastischer Konsistenz, voll von mildwürzigem Aroma; die Sauce unterstreicht das Ganze mit kräftigeren Noten; herrlich dazu die sämig-süße Zwiebelschmelze. Über den Bodensee hinweg steigen die Appenzeller Berge auf. Der Gast jauchzt: Naturnahe Küche!

ERWIN SEITZ

Näheres zur Küche am Bodensee in meinem Buch „Kunst der Gastlichkeit“, Kapitel 20 „Naturnahe Küche“