Porträt: Sophia Rudolph

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Mai 2018

Teilen macht glücklich: Junge deutsche Küche

Sophia Rudolph als Küchenchefin im „Panama“ in Berlin-Tiergarten

Der Weg zum „Panama“ hat´s in sich. Das Restaurant liegt in einem langgestreckten Berliner Hinterhof, der hoch und steil anmutet, stilvoll restauriert. Man geht vorbei an Galerien, und am Ende des Hofes führen die Stufen hinunter ins Souterrain, wo einst Industrie-Gewerbe untergebracht war – und nun feine Gastronomie eingezogen ist. Obwohl man das Lokal nicht leicht findet, zieht es jeden Abend etwa hundertfünfzig Gäste an. Eröffnet im Mai 2016, hat sich das „Panama“ in kurzer Zeit einen guten Ruf erarbeitet.

Einen wesentlichen Anteil am Erfolg hat Küchenchefin Sophia Rudolph. Die gebürtige Berlinerin durchlief eine ausgezeichnete Ausbildung. Nach dem Abitur besuchte sie von 2006 bis 2009 in Lyon das renommierte „Institut Paul Bocuse“, eine Hochschule für Kochkunst und Restaurant-Management, die sie mit dem akademischen Bachelor-Grad sowie als ausgebildete Köchin verließ.

Küchenchefin im Panama: Sophia Rudolph

Schon während des Studiums hatte sie die Gelegenheit beim Schopf gepackt, ein mehrmonatiges Praktikum in der Küche des 3-Sterne-Restaurants „Louis XV“ in Monte Carlo zu absolvieren, bekanntermaßen geleitet von Alain Ducasse. In seiner Küche sei Perfektion gelehrt worden, sagt sie, der behutsame Umgang mit den Produkten, das sorgfältige Garen und Komponieren. Auf die Frage, ob sie ihrerseits eine Preußin mit Hang zu guter Organisation sei, lacht sie und sagt: „Ja, schon“. Doch am Ende, ergänzt sie, gehe es um guten Geschmack – und nicht um viele Pünktchen auf dem Teller.

Längst hat sie ihren eigenen Weg gefunden. Unterstützt von ihrem Patron Ludwig Cramer-Klett, entwickelt sie so etwas wie die junge deutsche Küche. „Jung“ meint: aktuell, auf der Höhe der Zeit, weltoffen, flexibel; „deutsch“ wiederum bedeutet heimatnah, lokal, regional, nachhaltig. So traditionell wie modern wirkt auch die Gepflogenheit, die Gerichte nicht unbedingt auf dem einzelnen Tellern anzurichten, sondern in mehreren Schälchen zu servieren. So können Gäste, die in kleinerer oder größerer Runde am Tischen sitzen, das Essen teilen und sich gegenseitig bei der Zusammenstellung des eigenen Tellers behiflich sein: im so genannten Sharing-Style, frei nach der Überzeugung, das Teilen glücklich macht. Ohnehin leitet sich der Name des Restaurants von der Kindergeschichte „Oh, wie schön ist Panama“ her, mit der Botschaft, dass schon der Berliner Hinterhof das Land der Träume sein kann.

Eine traditionelle heimische Kompositionsidee wie Wild mit Preiselbeeren wird überraschend variiert: als Tatar vom Hohenloher Rind mit Johannisbeerengelee, ergänzt durch einen kleinen Ausflug ins Asiatische: mit eingelegten Shiitakepilzen, Miso-Creme, Algen, Reis-Chip. Alles wird, einzeln sichtbar und transparent, in einer Schale serviert. Dem Gast wird empfohlen, die Dinge gleich zu mischen. Entzückend, wie alles zusammenspielt: unterschiedliche samtige Texturen, verschiedene Stufen von Umami-Aromen, untermalt von fruchtigem Touch. Eigentlich wollte die Küchenchefin das Gericht schon längst von der Karte nehmen, doch die Sehnsüchte der Gäste lassen es nicht zu.

Frau Rudolph beherrscht auch die Gemüseküche, saisonal und regional. Den Spargel bezieht sie aus Beelitz, südlich von Berlin. Die Zubereitung ist in diesem Fall eher klassisch. Das Gemüse wird im Fond mit Salz, Zucker, Butter und Zitrone gegart, auf den Punkt genau, cremig-würzig, noch mit leichtem Biss, dazu gibt es eine Sauce Hollandaise mit Bärlauch – und als kleinen Kick ein paar Wildkräuter und Seegras. Wieder greift alles wunderbar ineinander: Farbe, Gewebe, Aroma. Der Gast selbst fühlt sich leicht und beschwingt und freut sich auf den nächsten Gang.

Erwin Seitz

Panama, Berlin-Tiergarten, Potsdamer Straße 91

www.oh-panama.com

PS. Frau Rudoph hat das „Panama“ im Februar 2020 als Küchenchefin verlassen und leitet heute die Küche im „Lovis“ in Berlin-Charlottenburg, www.lovisrestaurant.com