Portrait: Christopher Kümper

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Juli 2018

Weltoffen & naturnah

„Schwein“ in Berlin-Charlottenburg mit Christopher Kümper als Küchenchef (das Lokal heißt seit Sommer 2019 „Christopher´s, ohne besondere Veränderung)

Geplant war eigentlich eine Weinbar, und da im Begriff des Schweins das Wort Wein enthalten ist und das Borstenvieh auch noch als Glücksbringer gilt, sollte die Weinbar Schwein entstehen. Doch der Koch, den man dafür fand, war einfach zu gut. Die Idee der Weinbar wurde aufgegeben. Man sprach bei der Eröffnung 2016 in Berlin-Mitte schlicht vom Schwein – Restaurant und Weinbar in einem.

Küchenchef Christopher Kümper machte rasch von sich reden und wurde schon ein Jahr später von der Jury der Berliner Meisterköche zum „Berliner Aufsteiger des Jahres 2017“ gekürt. Unstimmigkeiten mit dem Hausherrn führten allerdings dazu, dass das Schwein bald in den Westen der Stadt weiterzog: Anfang 2018 in die Mommsenstraße, in das Quartier um Schlüterstraße und Kurfürstendamm, das in den letzten Jahren wieder an Schick gewann. Sommers stehen einige Tische und Stühle vor dem Haus, innen sorgen elegante Grautönen für eine entspannte Atmosphäre.

Weinbar-Restaurant Schwein
© Schwein

Kümpers Können kommt nicht von Ungefähr. Er kann eine Reihe von bekannten und berühmten Küchenchefs seine Lehrmeister nennen. Er schätzt sie allesamt. Im Gespräch merkt man aber doch, dass er zwei beziehungsweise drei davon besonders verehrt: Manfred Salzmann sowie das Duo Nils Henkel und Dieter Müller. Geboren 1986 in Menden im Sauerland, begann Kümper seine Lehre zunächst in einem Casino-und-Partyservice-Unternehmen, schloss sie dann aber im Hotel Wilhelmshöhe in Neuenrade ab, wo Manfred Salzmann Küchenchef war. Hier lernte er, was es heißt: durchgängig frisch zu kochen, Handwerk zu betreiben, die Güte der Waren zu erkennen, die feinen Unterschiede zu bemerken, zudem mochte er dort den menschlichen Ton.

Christopher Kümper, Küchenchef im Schwein
© Schwein

Solche Dinge sind das A und O guter Küche. Kümper fügt hinzu: „Wie kaum in einem anderen Beruf hat man als Koch in kurzer Zeit, sofern man sich Mühe gibt und ein paar Stunden angemessenen Aufwand betreibt, täglich ein Erfolgserlebnis. Man sieht, wie etwas unter den eigenen Händen wächst.“ Über das Landhaus Scherrer in Hamburg führte sein Weg 2009 weiter zum Schloss Lerbach, wo Nils Henkel die Küche leitete und Dieter Müller im Hintergrund immer noch mitwirkte. Kümper staunte, dass man den handwerklichen Aufwand sowie die Sorgfalt nochmal erhöhen kann. Schließlich schnupperte er im Daniel in New York Weltstadtluft, ebenso im Andre in Singapur.

Im Schwein in der Mommsenstraße verkörpert Kümpers Küche eine zeitgemäße Art von Casual Fine Dining oder so etwas wie eine weltoffene gehobene Bistroküche, die Speisen zugänglich, verständlich, schmackhaft, sowohl inspiriert vom Quartier, von der „deutschen Essens-DNA“, wie Kümper sagt, als auch von der klassisch-französischen Küche sowie japanisch-asiatischen Techniken, indem schwere Sahnesaucen oft durch leichte, klare Brühen mit frischem Touch ersetzt werden, so bei der Vorspeise „Lachs / Gurke / Senf“. Ein lauwarm geräuchertes und geflämmtes, butterzartes Lachsstück liegt im Gurken-Dill-Sud, abgerundet durch ein paar Tupfer Senf-Mayonnaise.

Um den Tieren Wertschätzung entgegenzubringen, verarbeitet Kümper viele Teile des Tiers. So klingt eine andere Vorspeise „Landei / Kartoffel / Kerbel“ bescheiden, enthält aber beileibe nicht nur das Ei des Huhns, sondern auch Hühnerklein mit Herz, Leber und Magen. Die Speise wird in einer schmalen Schale geschichtet: obenauf ein reizvolles grün-beiges Schachbrettmuster aus gestockter Kerbel- und Hühnersauce, was die Aufmerksamkeit erhöht, kombiniert auf der linken Seite mit knusprigen Stückchen von Hühnerhaut und Kartoffelscheibchen. Rechts also ein Höchstmaß an Ordnung und Geometrie, links ein entspanntes Durcheinander – appetitliche Gegensätze. Dringt man dann mit dem Löffel in die Tiefe, folgen Kartoffelschaum mit brauner Nussbutter, Landei und Hühnerklein. Man wird regelrecht in die Tiefe gezogen, nahezu aphrodisisch-erotisierend.

Soweit es möglich ist, greift der Küchenchef auf lokal-regionale Produkte zurück – nomen est omen: so auch auf das Weideschwein vom Potsdamer Sauenhain. Auch in diesem Fall kommen unterschiedliche Teile des Tiers zum Zug, zum Beispiel der Nacken, vorzüglich mit Fett und Sehnen durchzogen, die bei der richtigen Garmethode weich und schmelzig werden und wunderbare Aromen entfalten. Kümper lässt den Nacken 15 Stunden bei 63 ° Celsius garen und serviert „Weideschwein / Bohne / Birne“. Schwer zu sagen, ob das japanische Kobe-Rind oder ob das Potsdamer Weideschwein besser schmeckt.

Erwin Seitz

Schwein, Berlin-Charlottenburg, Mommsenstraße 63

Das Restaurant hat dauerhaft geschlossen