Restaurant Remi, Berlin

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Mai 2022

Zeitgemäße Gastronomie

Edel vereinfacht – weltoffen märkisch

Das Restaurant „Remi“ in Berlin-Mitte

 

Restaurant Remi, Einrichtung von Ester Bruzkus
© Robert Rieger

Das „Remi“ befindet sich im neunen Suhrkamp-Haus, wo die Gastronomie nicht als lästige Nebensache angesehen wird. Vielmehr begegnen sich dort, im Stil einer neuen Epoche, Literatur, Kunst und Gastlichkeit auf Augenhöhe. Das Gebäude wurde vom Architekturbüro Bundschuh entworfen: mit glattem Beton, Stahl, Glas, Holz – lichtdurchflutet. Die Einrichtung des Lokals schuf die Innenarchitektin Ester Bruzkus, bedacht auf sorgsam ausgewählte Materialien, spiegelbildlich zu den frischen feinen Zutaten in der Küche, die offen im Raum steht. Man sieht teils Wandbänke, die im Prinzip der älteren deutschen Gasthaus-Tradition entstammen, aber nicht angestaubt wirken: nicht aus dunkel gebeiztem Holz, wie früher, sondern aus heller, transparent lackierter Birke. Sitze wie Lehnen sind mit gepolstertem Cord in Curryfarbe ausstaffiert. Der Gast kann sich´s darauf gemütlich machen.

Davor kleine quadratische Tische, die gegebenenfalls zum großen Familientisch zusammengeschoben werden können. Auch im heutigen Berlin gibt es nicht nur Nomaden, singuläre Frauen und Männer, Individualisten, sondern auch Eheleute mit Kindern, Großeltern, Freunden, Kollegen, die sich um den großen Tisch versammeln. Das Gestell der Tische besteht aus geschliffenem Stahl, die Deckplatte aus anthrazitfarbenem Linoleum. Die hölzernen Stühle zeigen ihr statisches Konstrukt, sind teils naturfarben, teils olivgrün gestrichen und lockern die Atmosphäre auf. Die netten, gepflegt auftretenden Kellnerinnen und Kellner decken die Tische flach ein: mit schlicht umgelegten Stoffservietten und Trinkgläsern – bloß kein Getue.

Die Wirte: Stijn Remi und Lode van Zuylen
© Robert Rieger

Betrieben wird das „Remi“ von zwei Holländern, Stijn Remi und Lode van Zuylen. Sie sind schon länger in der Stadt und gründeten zunächst das Restaurant „Lode & Stijn“ in Kreuzberg, bevor 2019 das „Remi“ in Mitte hinzukam. Hierfür ist vor allem Stijn Remi zuständig, für den Service wie für die Küche. Es kommen viele Zutaten von kleineren, ökologischen Höfen aus dem Märkischen oder Mecklenburgischen auf den Tisch, etwa „Feta vom Erdhof Seewalde mit junger roter Beete und Amalfi-Zitronenvinaigrette“. Der Erdhof Seewald liegt just an der Grenze zwischen dem Märkischen und dem Mecklenburgischen. Kühe und Schafe fressen dort ausschließlich kräuterreiches Gras oder duftiges Heu, je nach Jahreszeit, und befinden sich, so oft es geht, auf der Weide. Aus der Kuh- und Schafsmilch wird in der eigenen kleinen Molkerei Käse hergestellt. Der Feta ist ein Traum, wunderbar geschmeidig, von eleganter Fülle und Würze des Geschmacks, untermalt von dezenter Salzigkeit. Die schlichte Anrichteweise auf dem Teller unterstützt die Konzentration des Gastes auf die Produkte: die weißen Feta-Stücke und die runden Roten Beete.Kugeln bilden ein hübsches Mosaik. Die behutsam gegarten Beete sind cremig süß und zugleich leicht erdig, dazu der nussige Touch gerösteter Pinienkerne und die Frische der Zitrone. Eine herrliche Komposition.

Edel vereinfacht: ein Fischgericht
© Sam Harris

Es gibt auch Kalb im „Remi“, das traditionelle Paradetiere der märkisch-mecklenburgischen Seen- und Kiefernlandschaften, wiederum geliefert vom Erdhof Seewald oder vom Siebengiebelhof: „Auf Heu gegarte Kalbschulter mit Zitronenpolenta, Bohnen und Chili“. Wieder diese einnehmend einfache Anrichteweise: hellbraune Scheiben von der Kalbsschulter, gelbe Polenta, grüne Bohnen. Die Würde und Feinheit der Pflanzen und des Fleisches werden von der Kochkunst nicht übertrumpft, sondern hervorgehoben. Kalb schmeckt nach Kalb, so wunderbar mild und zart, mit einer Spur von Wiesenduft. Man wird als Gast still und fühlt sich erfüllt. Das „Remi“ nähert sich dem Ideal des zeitgemäßen Gasthauses-Restaurants in Berlin: edel vereinfacht – weltoffen märkisch.

Erwin Seitz

Restaurant „Remi“, Torstraße 48, www.remi-berlin.de