Rheingau-Gourmet-und-Wein-Festival 2019

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März 2019

Japanisch inspiriert

Beim Rheingau-Gourmet-und-Wein-Festival 2019 war der Japan-Trend in der Küche unverkennbar. Meisterköche wie Tristan Brandt vom Opus V und Hubert Obendorfer vom Eisvogel beindruckten mit ihrem Können. Für eine Überraschung sorgten die Weine aus dem österreichischen Weinviertel

 

Man gewinnt den Eindruck, dass derzeit nichts stärker auf die internationale Hochküche einwirkt als die Tradition der japanischen Kochkunst, mehr noch als die Nordische Küche, es sei denn, dass diese ihrerseits japanische Techniken aufnimmt, wie René Rezepi in seinem neuen „Noma-Handbuch Fermentation“, das jetzt auch auf Deutsch erscheint. Eine moderne, stärker pflanzlich geprägte Küche, die auf Leichtigkeit und Bekömmlichkeit achtet, nutzt die Kunst des Fermentierens, um über herzhafte Umami-Aromen zu verfügen, so wie man das bislang hauptsächlich von Fleischspeisen gewohnt war.  Auch kommen Würzsaucen mit Zitrusfrüchten und milde Reisessige zum Zug.

Das Rheingau-Gourmet-und-Wein-Festival 2019 im „Kronenschlösschen“ in Hattenheim ist jährlich in der Vorsaison ein guter Gradmesser für Trends in der deutschen wie internationalen Haute Cuisine. Auch dieses Mal standen wieder mehrere Drei- und Zwei-Sterne-Köche aus aller Welt als Gastköche am Herd. Schon die Lektüre der Speisekarten machte den Japan-Trend deutlich.

Von dem Deutsch-Japaner Tohru Nakamura, Küchenchef im „Werneckhof by Geisel“ in München, erwartete das Publikum sowieso, dass seine Küche japanische Einflüsse zeigt. Und er enttäuschte die Hoffnungen nicht. Erster Gang: „Balfégo Thunfisch, Akami und Toro, Shiitake, Rettich und Yuzu“. Später: „BBQ Flussaal, Koshihikari, japanische grüne Kräuter und Edamame-Tofucrème“.

Der Fokus liegt nicht auf der japanischen Küche selbst. Nakamura pflegt eine europäische Hochküche, in die er japanische Dinge einbaut. Ähnlich machen es die anderen Meisterköche. In der Regel tritt der legendäre Umami-Geschmack nicht penetrant hervor, sondern taucht dezent, da und dort auf, bei diesem oder jenem Gang, als ein Mittel, um das Geschmacksspektrum zu erweitern.

Bei Sven Elverfeld, der normalerweise im „Aqua“ im „Ritz-Carlton“ in Wolfsburg am Herd steht, lautete beim Festival der zweite Gang: „Flusszander mit Kohl-Dashi-Sud & Grünkohlpesto“. Deutsche und japanische Tradition sollten hier zusammenspielen. Und Christian Bau, der sonst im „Victor´s Fine Dining“ in „Victor`s Residenz“ in Perl-Nenning das Zepter in der Hand hat, bot im „Kronenschlösschen“ als ersten Gang: „Civiche, Bar de ligne, Meeresfrüchte, roter Shisho“, als zweiten Gang: „Japanische Gelbflossenmakrele, Gartengurke, Austern, Jalapeño“.

Tristan Brandt vom Opus V in Mannheim

Die Gelbflossenmakrele, japanisch Hamachi, erscheint mittlerweile recht gern in der deutschen Hochküche, ein Fisch mit gewissem Fettgehalt und gutem Eigenaroma, vorzüglich für das rohe Beizen und Marinieren geeignet. Tristan Brandt vom „Opus V“ in Mannheim bot in Hattenheim als ersten Gang: „Hamachi, Kohlrabi, Shiso“. Der Fisch wurde mit Salz, Zucker und Wasser gebeizt, die Kohlrabi-Scheiben hauchdünn geschnitten, aufgegossen mit einem Sud aus Essig, Zucker und Wasser, um die Konsistenz etwas weicher zu machen und den Geschmack leicht zu mildern. Auf dem Teller sah man die hellbeigen Scheiben vom Hamachi, die lindgrünen Scheiben vom Kohlrabi, unterlegt mit Wasabi-Mayonnaise und Chanponzu-Würzsauce mit Zitrusfrüchten, schließlich ein rotes Shiso-Eis. Das war sympathisch vor-frühlingshaft anzuschauen, schmeckte frisch und mildwürzig, in sich subtil.

Dasselbe galt für den nächsten Gang: „Hummer, Jasminreis, Schwarzer Knoblauch“. Kein Bild ist mir beim diesjährigen Rheingau-Gourmet-Festival, bei dem ich insgesamt an drei Veranstaltungen teilnahm, stärker haften geblieben. Vor dem Gast stand ein schalenartiger Teller, der Boden mit brauner Brühe angegossen, darin lag der weiß-rote Hummerschwanz, daneben sah man weiße und schwarze Tupfer, als seien sie hineingeschneit: so klar, so puristisch, so poetisch.

 

Hummer, Jasminreis, Schwarzer Knoblauch
von Tristan Brandt

Die Tupfer bestanden aus püriertem Jasminreis, einmal weiß, ohne Zusatz, einmal mit Schwarzem Knoblauch eingefärbt, mit komplexen Anklängen von Dörr-Pflaume, Lakritze und karamellisierter Zwiebel. Die braune Brühe bestand aus Schwarzem Kombu-Reis-Essig, Sojasauce und Limonen-Öl, das heißt, die Schalen von wilden Limonen wurden gerieben und lagen zwei Tage in der Brühe. Es entstand ein köstliches Umami-Säure-Spiel, wie ich es so noch nie im Mund hatte. Betörend, wie die neue Leichtigkeit der Speisen zugleich Würze und Gehalt vermittelt.

Brandt verriet, wo er einen Teil der japanischen Sächelchen herbekommt: von „FoodConnection“ in Reinbek bei Hamburg. Man arbeitet dort direkt mit japanischen Herstellern zusammen, die sich der traditionellen Erzeugung von Sojasaucen, Würzsaucen, Schwarzem Kombu-Reisessig oder handgepresstem Yuzu-Saft verschrieben haben. Viele deutsche Spitzenköche schätzen FoodConnection als seriösen Partner.

Die französische Nouvelle Cousine hatte ja Hummer noch in gehaltvollen Soßen serviert: in einer Velouté oder Beurre blanc, später folgten thailändische Currysoßen mit Kokosmilch und Zitronengras. Nun ist unter japanischem Einfluss die klare Brühe in Mode – und man sollte der Mode ihr Recht nie absprechen. Mit der Zeit gehen, was sonst!

Hubert Obendorfer, Patron und Küchenchef im Restaurant „Eisvogel“ im „Landhotel Birkenhof“ in Neunburg vorm Wald, Ortsteil Hofenstetten, gab der obligaten leichten Brühe zum Hummer eine eigene Note: „Hummer, Yuzu, Roter Shiso, Avocado“. Für die Brühe wurde Roter Shiso entsaftet, gewürzt mit weißer Sojasauce und Yuzu, ein feines Kräuter-Umami-Frucht-Spiel. Im vertieften weißen Teller erblickte man die violette Brühe, darin den weiß-roten Hummerschwanz, Shiso-Eis und gestampfte Avocado, die ihrerseits zum frischen, schlanken Gericht eine gewisse cremige Note beisteuerte.

Vater und Sohn: Hubert und Sebastian Obendorfer vom Eisvogel im Landhotel Birkenhof in Neunburg vorm Wald standen beide beim Rheingau-Gourmet-und-Wein-Festival am Herd

 

Natürlich ging es auch ohne Japan. Obendorfer servierte später ein Schwarzfederhuhn im Purple-Curry-Jus mit Pilzen und Lauch. Selten, dass ich ein so feines Stück Huhn auf der Zunge hatte, so gut im Biss, so saftig, so feinaromatisch. Oberndorfer versteht etwas vom Garen; er weiß, was ein Huhn ist, kann damit umgehen. Und der Jus – exzellent: aus karamellisierter Tomate, Hühnerbrühe, Port, Orange, Cassis und Purple Curry mit Hibiskus-Blüten, zauberisch-komplex: herb, bitter und süß.

Eine weitere Überraschung war für mich der Wein, der die Menüs von Brandt und Obendorfer begleitete: aus dem österreichischen Weinviertel, nördlich von Wien. Regionen wie die Wachau, die Südsteiermark oder das Burgenland am Neusiedler See sind in Deutschland als österreichische Weinbaugebiete bislang bekannter. Doch Spitzenwinzer des Weinviertels zeigten beim Festival, was sie können: Weingüter wie Dürnberg, Pfaffl, Setzer, Weinrieder und Zull. Die Hauptrebsorte des Gebiets ist der Grüne Veltliner, doch die Gäste tranken ebenso vergnügt Roten Veltliner, Riesling, Chardonnay oder Pinot Noir. Die Weine verfügten über Duftigkeit und Substanz, wirkten aber weder über-extrahiert noch alkoholbetont, sondern frisch und lebendig, bestens geeignet für die leichte moderne Küche.

Erwin Seitz

Festival: www.rheingau-gourmet-festival.de;

Restaurants: www.restaurant-opus-v.de; das Restaurant Eisvogel im: www.landhotel-birkenhof.de;

Japanische Feinkost: www.foodconnect.de; für Purple Curry: www.altesgewuerzamt.de;

Weinviertel: www.weinvierteldac.at;  www.duernberg.at;  www.pfaffl.at;  www.weingut-setzer.at;  www.weinrieder.at;  www.zull.at

 

Typische sanftwellige Hügellandschaft im Weinviertel: Blick vom Weingarten auf die Kirche St. Nikolaus in Röschitz
© Regionales Weinkomitee Weinviertel Anna Stöcher