Spätburgunder Verkostungen

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Weinkultur, September 2015

Streifzug zum Spätburgunder

Verkostung

Christoph Rüffer, Küchenchef im Restaurant Haerlin im Fairmont Hotel Vier Jahreszeiten in Hamburg erklärt im Gespräch: „Meine Küche wird immer europäisch-heimische Wurzeln haben, und das heißt auch: Gerichte mit rotem Fleisch, dunklem Bratensaft und Rotwein.“ So oder verkörpert eine solche Verbindung lukullische Identität in hiesigen Breiten: Essen und Trinken mit Tiefe und Kraft.

Seit Jahrhunderten ist der Spätburgunder dafür der richtige Spielpartner hierzulande: nicht zu massiv, eher elegant – und auch die Soße sollte nicht zu extrahiert sein: besonders für Rind und Wild, um die idealen Kombinationen zu nennen. Schade nur, dass man die federleichten trockenen Spätburgunder mit 11,5 oder 12 Volumenprozent Alkohol heute nur noch selten findet.

Solche Weine können so wunderbar zart und tänzerisch sein, mit belebender Säure und feinen Himbeernoten. Besonders geeignet sind dafür die Lößböden, die dem Wein etwas Fruchtiges und Unbekümmertes verleihen, noch nicht so sehr von Kraft und Tiefe geprägt. Der leichte Spätburgunder vom Lößboden oder Löß-Lehm-Boden könnte eine deutsche Spezialität sein, sofern man den Maßstab nicht nur von außen holt und nicht bloß auf Opulenz und Power schielt.

Ein Wein ist dann gut, wenn er in sich ausgewogen ist, egal ob von leichter oder von tiefgründiger Art. Man möchte prophezeien: Unter den Weinen der Zukunft werden auch jene von unbekümmerter Art sein – so wie die führenden Köche tagtäglich darüber nachdenken, wie man das Essen noch leichter und bekömmlicher machen kann. Tänzerische Spätburgunder passen prima zu vegetarischen Gerichten, gerade wenn das Gemüse gebraten wird und Butter oder Rahm zum Zug kommt. Das soll die tiefgründigen Spätburgunder von edlen Gesteinsböden nicht schmälern: von den eiszeitlichen Endmoränen mit Jurakalkgeröll, vom Vulkanboden, Muschelkalk oder Schiefer.

Der Verkostung folgt der Himmelsrichtung von Süd nach Nord, reicht von der Bodenseeregion über den Rheingraben bis an die Ahr:

Weingut Aufricht in Stetten am Bodensee, Baden

2013er Spätburgunder „Sophia“ Meersburger Sängerhalde (eiszeitliche Endmoräne) trocken, 13,5 Volumenprozent Alkohol, für 11,40 Euro.

Es zeigt sich dunkles Rubinrot, in die Nase dringen Düfte von roten und blauen Früchten, Himbeere, Erdbeere, Kirsche, Heidelbeere, man bemerkt leichte Pfeffer- und Bodenwürze, am Gaumen eine angenehme erfrischende Säure, zugleich ist der Wein samtig und schmackhaft, ausgewogen, mit nachhaltigem Abgang. Noch nicht zu komplex, eher beschwingt zu trinken, ein klassischer Vertreter des Bodensee-Pinot-Noir in gehobener Ortsweinqualität, ganz so, als vermittle er etwas vom milden Klima am See, eine Vorstellung von Licht und Wärme, Tradition und Gegenwart, variabel in der Begleitung: vom Brotzeitteller über Käsespätzle und gebratenem Fisch bis zu Rind- und Wildgerichten. Der Alkoholgehalt von 13,5 % gibt dem Wein schon eine ziemliche Fülle, doch wenn er verhältnismäßig kühl serviert wird, wirkt er keineswegs schwer und macht Freude.

Weingut Bernhard Huber in Malterdingen am Rheingraben, Baden (der Betrieb ging aus einer ehemaligen Domäne des Zisterzienserklosters Tennenbach hervor)

2013er Malterdinger Spätburgunder trocken, mit 13 Volumenprozent Alkohol, für 16,80 Euro

Zuerst dringen charaktervolle Kräuternoten in die Nase, Eukalyptus, Lorbeer, Anklänge an mediterrane Wälder, die vermutlich mit dem Muschelkalk als Untergrund in Verbindung stehen. Ferner macht sich eine feine Säure bemerkbar, gleichzeitig ist der Wein seidig, filigran, verspielt, nervig, mineralisch, mit einem Touch von Kirsche und Brombeere, ein guter Begleiter für gebratenes Gemüse, gebratene Fische, Kalb, Rind, Wild. Noch etwas zarter und delikater gibt sich der 2012er Spätburgunder Alte Reben, trocken, 13,5 Volumenprozent Alkohol, für 27 Euro.

Weingut Friedrich Becker in Schweigen-Rechtenbach, Pfalz

2012er Spätburgunder „B“ trocken, von Weinbergslagen mit Kalkboden, 13,5 Volumenprozent Alkohol, für 16,50 Euro

Ein feinwürzig-fruchtiger Duft steigt auf, Kirsche, Pfeffer, mineralische Anklänge, ein regelrecht kalkiger Touch, der auf der Zunge den Nerv des Weins betont, gleichzeitig mit seidiger Anmutung und gut eingebundenem Gerbstoff, passend zu Lamm, Ente, Rind Wild. Der 2011er Schweigener Spätburgunder trocken mit 13,5 Volumenprozent Alkohol ist um eine Spur kräftiger und differenzierte und kostet 20 Euro.

Weingut Rudolf Fürst am Mainviereck in Bürgstadt, Franken

2013er Bürgerstädter Spätburgunder trocken, 13,5 Volumenprozent Alkohol, für 18,50 Euro.

Die Nase vernimmt ein apartes Duftgemisch, Kirsche, Pfeffer, Mineralität, die Zunge freut sich über eine feine Säure, feinen Nerv, feinen Gerbstoff und über einen angenehmen Nachklang. Auf der Ebene des Ortsweines vielleicht das Ideal eines deutschen Spätburgunders, betörend reintönig, kunstvoll ausbalanciert, passend auch zu einem Salat mit gebratener Hühnerbrust, natürlich ebenso zu Lamm, Ente, Rind, Wild sowie zum Käse. Der 2013er Klingenberger Spätburgunder trocken mit 13,5 Volumenprozent Alkohol ist noch subtiler, mit mehr Strahlkraft und Eleganz und kostet 27 Euro.

Weingut J. J. Adeneuer in Ahrweiler, Ahr.

2014er Ahrweiler Spätburgunder trocken, 12,5 Volumenprozent Alkohol, stammt von Lehm-Löß-Böden und kostet 9,30 Euro.

Er hat diese gewisse verspielte, charmante Art eines leichteren Spätburgunders, vermittelt fast so etwas wie Frühlings- und Sommerstimmung, quasi ein Frohnatur, mit eine Touch von Himbeere und Pfeffer und zartem Tannin. Der 2014er J. J. Adeneuer Spätburgunder trocken wirkt etwas dichter und tiefer und stammt von Schieferböden, besitzt ebenfalls 12,5 Volumenprozent Alkohol und kostet 11,50 Euro. Ein schönes Vergleichsspiel!

ERWIN SEITZ