Warenkunde, November 2014
Rindfleisch von den „Great Plains“
Schätzenswertes Beef aus den USA
In keinem anderen Land der Welt spielen Rinderzucht, Steakhaus, Diner, Burger eine so große Rolle wie in den Vereinigten Staaten von Amerika. Der Cowboy wurde dort zu einer nationalen Ikone, zu einer Figur, die das Selbstverständnis der Amerikaner stärkt: ein Bild von Freiheit und Abenteuer. Und das Rind, das der Rancher züchtet, vermittelt Stärke und Kraft, gleichfalls dessen Fleisch: das Beef.
Diese Tradition von Rinderzucht und Beefkultur entwickelte sich nicht von ungefähr. Es fanden sich in den Weiten des nordamerikanischen Kontinents die entsprechenden Areale dafür: die „Great Plains“, die großen Flächen, die Ebenen der Prärie im Mittleren Westen. Kernregionen sind Nebraska oder South Dakota. In den westlichen Teilen dieser Gegenden, zu den Rocky Mountains hin, gibt es vor allem Grasland, das der Viehzucht dient, in den östlichen Teilen, wo es mehr regnet, wird vorwiegend Weizen und Mais angebaut.
Im Wesentlichen wird hier für die Rinderzucht kein kostbares Ackerland verschwendet, sondern die Rinder nutzen pflanzliche Ressourcen, die normalerweise für die menschliche Ernährung verloren wären, aber umgewandelt in Beef auch uns zugutekommen. Die Tiere leben die meiste Zeit des Jahres nicht im Stall, sondern auf der Weide, fressen sommers Gras und Kräuter und im Winter Heu. Bevor sie geschlachtet werden, verbringen sie noch mindestens drei Monate in Gattern unter freiem Himmel, und werden dort nicht nur mit Heu gefüttert, sondern auch mit Weizen und Mais gemästet, damit das Fleisch die begehrte Marmorierung erhält: die Fettsträhnen im mageren Fleisch.
Durch diese Mast mit Weizen und Mais vor der Schlachtung wird indirekt auch Ackerland für die Rinderzucht verbraucht, doch hält es sich in Grenzen; ohnehin kommt das Mastfutter quasi von nebenan. Es handelt sich um ein regionales Zusammenspiel landwirtschaftlicher Möglichkeiten. Und der eigentlich Clou ist: Während der westliche Lifestyle normalerweise den Verzehr von magerem Fleisch predigt, wird hier die fetthaltige Marmorierung des Fleisches bewusst herbeigeführt. Die Fettsträhnen sorgen beim Garen für Zartheit, Saftigkeit und Geschmack.
Die Amerikaner verstehen etwas von Rinderzucht und Beef und haben sich darauf wie kaum woanders spezialisiert. Schon vor rund hundert Jahren führte man die spezielle Mast der Rinder im Mittleren Westen ein. Das amerikanische Landwirtschaftsministerium schuf bestimmte Qualitätsstufen, die den Grad der Marmorierung im mageren Fleisch markieren. Die höchsten Stufen sind „Choice Grade“, mit einem Anteil von fünf bis zehn Prozent Marmorierung, und „Prime Grade“ mit einem Anteil von über zehn Prozent. Allerdings merkte man zwischenzeitlich auch, dass der Grad der Marmorierung nicht allein darüber entscheidet, ob ein Fleisch überdurchschnittlich gut ist. Sowohl „Choice Beef“ als auch „Prime Beef“ kann außergewöhnlich fein sein.
Es kommen noch andere Dinge hinzu. Man braucht die richtige Rasse für die bestmögliche Entwicklung des Fleisches. Im Mittleren Westen stehen vorwiegend das Angus und das Hereford auf der Weide, reinrassige Rinder mit Tradition, ursprünglich in Schottland und in England gezüchtet. Für die Fleischverarbeitung kommen nur die Färse, das ausgewachsene, weibliche Rind, das noch nicht gekalbt hat, und der Ochse, der kastrierte Stier, in Frage. Die Kuh, die der intensiven Milchwirtschaft dient, oder der Stier wären kaum in der Lage, eine reiche Marmorierung hervorzubringen.
Im Einzelnen hängt die Qualität der Ware auch vom sogenannten „Beefpacker“ ab, vom Fleischhändler. Er nimmt Rancher unter Vertrag und sorgt für die Schlachtung und Verpackung des Fleisches. Er lässt das „Prime Beef“ oder „Choice Beef“ in der Regel schon vierzehn Tage am Knochen reifen, und deutsche Importeure gönnen dem Fleisch oft noch einmal dieselbe Zeit, bevor sie es anbieten. Selbst wenn sich nicht sagen lässt, dass das US-Beef absolut das beste Rindfleisch sei, so ist das „Prime Beef“ oder „Choice Beef“ sehr zuverlässig in seiner Art und offeriert hochfeinen Genuss.
Mag sich der Koch heute gern als Künstler fühlen, der mit Pinsel und Pinzette für die Galerie arbeitet, so wünscht sich der Beefliebhaber lieber nicht so viel Schnickschnack, denn ihm geht es um ein Urerlebnis: um die Lust am Fleisch. Das US-Beef ist sowohl kernig als auch zart, saftig, von intensivem Geschmack, mineralisch bis lieblich, vollmundig.
Der Koch sollte etwas von diesem Urerlebnis vermitteln, das Beef als erkennbares Stück anbieten und schnörkellos zubereiten. Vielleicht müssen die Portionen nicht mehr ganz so groß sein wie früher, vielleicht darf es auch ein halbes Rumpsteak sein, nicht als dünne Scheibe, sondern als dicke, nur durchgeschnitten. Viele Gäste, die im Alltag vegetarisch essen, möchten zwischendurch doch einmal ein außergewöhnliches Stückchen Fleisch probieren und ein bisschen Sünde erleben. Dafür gibt es kaum Geeigneteres als US-Beef. Eine solche Fleischeslust hat ihren Preis, aber kleine oder halbe Portionen, begleitet von Salat oder Gemüse, machen die Rechnung halbwegs moderat.
Wichtig für die Qualität ist der transparente Kreislauf zwischen Rancher, amerikanischem Beefpacker und deutschem Importeur. Der Fleischhändler Albers in Düsseldorf (www.albersfood.de) arbeitet mit dem Beefpacker Greater Omaha in Nebraska zusammen und offeriert hervorragendes US-Beef, auch in größeren Mengen. Nicht minder fein ist das US-Beef, welches man von Frischeparadies erhält (www.frischeparadies.de) und von verschiedenen Beefpackers aus Nebraska und South Dakota stammt. Einen gut Ruf für bestes Fleisch und US-Beef hat sich längst auch Otto-Gourmet erworben (www.otto-gourmet.de). Eine Besonderheit von Otto-Gourmet ist das „Sansibar BBQ Steak“, ein spezieller Schnitt aus der Schulter vom US-Beef. Es wird auf dem Grill oder in der Pfanne fast so zart wie ein Filet. Die außergewöhnliche Güte des US-Beefs macht so manches möglich.
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