Texas – Houston, Austin und San Antonio

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USA, Texas, Oktober 2017

Die Bayern Amerikas

Unterwegs in Houston, Austin und San Antonio: Von der Autostadt zur „Walkable City“

Die Texaner spielen in den Vereinigten Staaten eine ähnliche Rolle wie die Bayern in Deutschland. Auch sie kennen dieses unerschütterliche Selbstwertfühl: „Mia san mia.“ Zuerst ist man Texaner, dann Amerikaner. Als Bundesstaat begreift sich Texas wie Bayern als „Freistaat“. Immerhin war man für kurze Zeit eine selbstständige Nation, bevor man 1845 den USA beitrat.

Bei traditionellen Veranstaltungen wie dem Rodeo mit Tierschau und Volksfest trägt man Tracht – nicht Dirndl und Lederhose, aber Cowboyhut, karriertes Hemd, Jeans mit Ledergürtel und Lederstiefel; manche Frauen haben statt der Jeans einen dreiviertellangen folkloreartigen Rock an. Man mag Bratwurst und Biergarten, ohne diese deutschen Begriffe ins Angloamerikanische zu übersetzen. Viele Texaner sind deutschstämmig und haben das Land ein Stück weit geprägt. Natürlich pflegt man auch die Volksmusik, zwar nicht mit Blasinstrumenten, aber mit Gitarren und Country Songs.

Längst hat sich der bescheidene, aber abenteuerliche Agrarstaat von einst, den die Folklore wiederspiegelt, in ein High-Tech-Land verwandelt. Houston, die größte texanische Stadt, die mit dem Umland über fünf Millionen Einwohner zählt, breitet sich weit in einer Ebene aus, wo es im Sommer sehr heiß wird. Erdöl, das vor über hundert Jahren in der Nähe gefunden wurde, machte den Ort reich und ließ ihn sprunghaft wachsen. Der Boom hält mehr oder minder bis heute an. Mittlerweile lebt Houston nicht nur von Öl und Gas, sondern auch von Technologien für erneuerbare Energie, von Raumfahrtforschung und einem bedeutenden medizinischen Zentrum.

Wenn im März die Wochen der „Houston Livestock Show and Rodeo“ stattfinden, füllt sich hier ein riesiges, überdachtes Stadion, das über fünfundsiebzigtausend Menschen aufnimmt. So gut wie jeder Besucher erscheint in landestypischer Tracht und fühlt sich wieder als Cowboy oder Cowgirl. Ein großer Teil des öffentlichen Lebens findet ohnehin stets in überdachten und klimatisierten Räumen statt, in Malls und Shoppingmalls, sei es in Downtown unter der Erde, sei es in Uptown im großen Einkaufszentrum „The Galleria“.

Im Süden der Stadt kommt man dann zum „Space Center“. Es ist ein wohltemperiertes Museum für Raumfahrttechnik, an das sich das Gelände der NASA anschließt. Allerdings beschleicht einen das Gefühl, dass Houston zwischen Folklore und High-Tech feststeckt und eine zeitgemäße Stadtentwicklung versäumt. Man feiert Raumfahrt und Mondlandung, doch es gibt kaum urbanes Leben auf Plätzen und Boulevards. Zur eigentlichen Ikone wird das Auto. Stundenlang fahren die Bewohner täglich auf den Highways zwischen den Vororten und dem Zentrum hin und her.

Highway-Dschungel in Houston
© Autor, Quelle, Lizenz

Ganz anders Austin, die texanische Hauptstadt, nordwestlich von Houston. Als es vormals darum ging, einen geeigneten Ort für die Hauptstadt zu finden, schickte der erste Präsident einige Reiter aus, die Vorschläge machen sollten. Sie kamen ins „Texas Hill Country“ mit sanften Hügelreihen, die regelrecht toskanisch anmuten, und Austin schien dort der rechte Platz zu sein. Heute kann man von Süden her über die Congress Avenue in die Stadt hineinfahren. Eine große Brücke führt über den Colorado River, der sich hier seenartig ausdehnt und für eine entspannte Atmosphäre sorgt. Danach durchquert die Avenue als Hauptachse der Stadt die himmelhohe Downtown, steigt schurgerade an, bis sie die Hügelhöhe erreicht, wo das kuppelartige „Capitol“ als Parlamentsgebäude thront.

Blick von der Congress Avenue Bridge auf Downtown Austin, im Hintergrund das Texas State Capitol
© Autor: Daveydickler, Quelle, Lizenz

Die Bewohner sind stolz darauf, in einer „Walkable City“ zu leben. Jedenfalls kann man die Hauptachse der Stadt bequem hoch- und runterlaufen: vorbei an Wolkenkratzern wie an zweigeschossigen Backsteingebäuden aus der Gründerzeit. Diese alten Häuser, die man auch in den Nebenstraßen findet, sind der eigentliche Schatz der Stadt: der rechte Ort für Restaurants mit feiner Barbecue- und Burger-Küche, alles frisch zubereitet, wie im „Cooper´s BBQ“, Congress Ave. 217, oder im „Swift´s Attic“, Congress Ave. 315. Im Kellergeschoss solcher Häuser befinden sich häufig Bars mit Livemusik, so auch unterhalb des „Swift´s Attic“ der „Elephant Room“. Austin ist berühmt für seine Musikszene, besonders auch in der 6th Street, östlich der Congress Ave.

Nachtleben in der 6th Street von Austin während eines Musikfestivals
© Autor: Marlon Giles, Quelle, Lizenz

Jason Weems von „Austin Detours“ organisiert abendliche Streifzüge durch Bars und Musikhallen. Er, der selbst Musiker ist, sagt über die künstlerische Szene der Stadt: „Wir sind leidenschaftliche Kreative, die das Leben lieben; wir suchen nach Erfahrungen, die über das Alltägliche hinausgehen. Wir wollen uns als Gemeinschaft erleben, sind offen und liberal und mögen handgemachte Sachen, frische Lebensmittel, die von der Farm in die Küche kommen – wir schätzen Nachhaltigkeit und Nachbarschaft.“ Quasi das Gegenteil von Weltraumphantasie! Oder ein Anklang von Flower Power! Nördlich des Capitols stößt man ohnehin auf das Universitätsviertel, das gern mit dem kalifornischen Berkeley verglichen wird.

Auch in San Antonio, der dritten großen Stadt im südlichen Texas, südwestlich von Austin, sind die Leute stolz darauf, dass ihre City „walkable“, fußläufig sei – mit der Besonderheit, dass es hier auch einen „Riverwalk“ gibt. Einst aus der Verlegenheit einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme in den 1930er Jahren entstanden, ist der „Riverwalk“ entlang des San Antonio River eine große Attraktion der Stadt, vom Zentrum in die Vororte hinaus: mit ansprechend eingefassten Ufern und Kaimauern, Sparzierwegen, Brücken, Parkanlagen, Restaurants, Cafés, Museen, vielen Menschen und Blickkontakten. Fast könnte man meinen, man sei in Amsterdam oder Venedig. Doch nichts wirkt künstlich nachgemacht, alles selbstverständlich. Man kann gehen oder mit dem Taxi-Boot fahren und für das Boot einen Cateringservice mieten, um dort zu tafeln. Die Stimmung ist famos.

Riverwalk mit Taxi-Boot in San Antonio
© Autor, Quelle, Lizenz

Steigt man außerhalb von Downtown aus dem Taxi-Boot, so lässt sich der Pearl District erkunden, ein ehemaliges Industrieviertel mit Großbrauerei, das nun in ein neues Stadtquartier verwandelt wurde, mehr oder minder nach dem Muster traditioneller europäischer Städte: ein durchmischtes Viertel für Wohnen, Arbeiten und Vergnügen, mit zentralem Platz, Bauernmarkt, Markthalle, Bäckerei, Restaurants, Cafés, Hotels, Galerien, Jazzclubs. Der Investor hatte seine Architekten ins benachbarte Mexiko geschickt, um dort zu erforschen, wie eine Plaza Mayor funktioniert, einst von den Spaniern errichtet. Es gibt Leute, die meinen, dass in texanischen Städten wie Austin und San Antonio gerade ein neues Amerika entsteht, in dem Auto und Big Business nicht mehr so wichtig sind.

Erwin Seitz

Erschienen im Magazin der Neuen Westfälischen und Neuen Osnabrücker Zeitung

Information über Texas auf Deutsch: www.traveltexas.de; Flug mit British Airways über London nach Houston

Housten: www.visithoustontexas.com; www.rodeohouston.com; www.spacecenter.org

Austin: www.austintexas.org; Musiktours: www.austindetours.com; empfehlenswertes Hotel außerhalb von Austin in den Country Hills: Omni Barton Creek Resort & Spa – www.omnihotels.com;

San Antonio: empfehlenswertes Restaurant in San Antonio am „Riverwalk“ mit mexikanischer Küche und Cateringservice für die Taxiboote: Ácenar – www.acenar.com; Pearl District: www.atpearl.com