Ana Roš über lokale Küche

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Oktober 2018

Was die Wälder der Umgebung zu bieten haben

Ana Roš hält beim internationalen Köche-Symposium „Chef-Sache“ in Düsseldorf 2018 ein Plädoyer für lokale Bezugsquellen in der Küche und wird von vielen Kollegen dabei unterstützt.

Die Themen der gastronomischen Diskussion verschieben sich gerade. Richtete sich die öffentliche Aufmerksamkeit sowie auch die der Gastronomen bis dato stark auf die Kochkunst, die Köche und den Wein, so tauchen jetzt mehr und mehr grundsätzliche Fragen auf: Wie sollen wir uns überhaupt ernähren: vegan, vegetarisch, flexitarisch, vorwiegend pflanzlich mit etwas Fisch und Fleisch? Woher beziehen wir unsere Lebensmittel? Von der Lebensmittelindustrie und vom Großhändler? Oder direkt vom Ökobauern, „form farm to table“?

Wie jedes Jahr versammelte die „Chef-Sache“ in Düsseldorf auch in diesem Herbst wieder Weltstars der Gastronomie auf der Bühne, Köche, aber auch Patrone, Sommeliers, Händler, Sammler und einen Psychologie-Professor. Ana Roš, die 2017 von der Jury der „World´s 50 Best Restaurants” zur besten Köchin der Welt gekürt wurde, fing auf der Bühne erst gar nicht an zu kochen, sondern erzählte die Entstehungs- und Erfolgsgeschichte ihres Restaurants „Hiša Franko“ im entlegenen Bergland von Slowenien – und stellte zugleich einen ihrer Sammler vor, der sie mit allem versorgt, was die Wälder der Umgebung zu bieten haben: Pilze, Kräuter, Beeren, Wild.

Ana Roš vom Restaurant „Hiša Franko“
© CHEF-SACHE

Es wurde rasch klar, auf was sie hinauswollte. Die Not oder die Unmöglichkeit, in der slowenischen Provinz vom üblichen gastronomischen Lebensmittelhandel beliefert zu werden, zwang sie dazu, ein eigenes Netzwerk aus örtlichen Sammlern, Kleinhändlern, ökologischen Bauern und Gärtner aufzubauen, die sie mit Produkten versorgen, die den lokalen Charakter ihrer Küche verbürgen.

Eigentlich war sie ursprünglich eine ausgebildete Diplomatin, die fünf Sprachen spricht. Doch als ihr Mann vor fünfzehn Jahren das ländliche Gasthaus erbte, entschieden sie sich, es zu übernehmen, ohne dass sie selbst etwas vom Kochen verstanden hätte. Sie brachte es sich selbst bei und wurde zur kreativen Quereinsteigerin der Gastronomie. Vermutlich gibt es auch andere Köchinnen auf der Welt, die ebenso gut kochen wie sie, vielleicht sogar noch besser, wer weiß. Aber sie hat eine faszinierende Geschichte zu erzählen – und das macht den Unterschied.

Und dieses Storytelling handelt eben von Lokalität, Regionalität, Ökologie, Nachhaltigkeit, Menschlichkeit, Lebensart. Wer heutzutage als Gastronom oder Koch nichts dazu zu sagen weiß, hat das Nachsehen. Es geht in der Branche mehr denn je um die Kunst der Kommunikation, um das Erzählen und Erläutern, darum, die Erlebnisse des Gastes durch Hintergrundwissen zu vertiefen.

In diese Kerbe schlug auch Claus-Christian Carbon, Professor für Psychologie und Methodologie an der Universität Bamberg. Er nahm an einer Diskussionsrunde teil, die Ralf Bos leitete, der bekannte Delikatessenhändler, gelernte Koch und Restaurantfachmann sowie Journalist. Nicht leicht für die anderen, sich daneben zu behaupten. Neben Bos und Carbon nahmen auch Andrea Staudacher, Willy Faber und Johannes King an der Gesprächsrunde teil, um die Frage zu beantworten: „Was werden die Menschen in Zukunft essen und wie wird das Angebot der Restaurants aussehen?“

Carbon wie King betonten den Aspekt des Natürlichen, Echten, Unverfälschten, Einzigartigen des gastronomischen Orts, der dem Gast unvergessen bleibe und ihn ermuntere, wiederzukommen. Bos hingegen ritt immer wieder auf seinem neuen Steckenpferd herum, weil er, wie er sagte, „schon einen Schritt weiterdenke“, und das hieß: Fleisch aus dem Reagenzglas, gezüchtet aus Molekülen von Kälberföten. Damit könne der Planet vielleicht gerettet werden. Phasenweise hatte man bei seinen Ausführungen den Eindruck, in der falschen Veranstaltung zu sitzen.

Es lief auf das Gegenteil von dem hinaus, was die Weltstars der Branche verkündeten. Denn nach Bos soll die Lebensmittelindustrie, insbesondere industrielle Tierhaltung, nicht unbedingt durch naturnahe, regionale Konzepte, die seiner Ansicht nach nicht recht fruchten, sondern durch eine neue Lebensmittelindustrie ersetzt werden, Fleisch aus der Retorte, als technologisches Großprojekt.

Bis es so weit sei, so Bos, möge King mit seinen Mitstreitern für naturnahe Konzepte Überbrückungsarbeit leisten. King zog sich diesen Schuh nicht an und sagte, es gehe jetzt wie in Zukunft um natürliche, echte, regional geprägte Gastronomie und Aufklärung. Wie für Carbon liegt für ihn der Hebel einer besseren Zeit im Umdenken für mehr natürlichen Genuss.

Erwin Seitz

chef-sache.eu