Alpenstueck

Seite

Oktober 2018

Die gute Mitte

„Alpenstueck“ in Berlin-Mitte

Nicht in vorderster Front, sondern leicht zurückversetzt, in der Gartenstraße, im Norden von Berlin-Mitte, liegt beschaulich das „Alpenstueck“. Eigentlich handelt es sich vom Zuschnitt her um eine klassische wilhelminische Eckkneipe mit hoher Decke. Vor der Wende hieß die Kneipe „Sportlereck“, danach zog eine Galerie ein, bis das Lokal im Frühjahr 2007 seine jetzige Form erhielt.

Die zwei großzügigen, ums Eck angeordneten Raumteile sind puristisch gehalten, in freundlichem, hellem Grau, auch die Möbel. Ringsum läuft eine meterhohe Täfelung, vom Schreiner maßgerecht gefertigt, überdeckt die Heizungsgitter, bindet die gepolsterten Sitzbänke und Servicetische zusammen und sorgt für Harmonie. Man sieht einfache Stühle und Wirtshaustische, die teilweise weiß gedeckt sind, mal nobel, mal nonchalant. Der Gast kann für sich in der Nische oder am kleinen Tisch sitzen oder auch an längeren Tischen in größerer Runde. Wie es einem gefällt.

Eine Wandfläche wird vollkommen von gestapelten Holzscheiten ausgefüllt und erinnert an wohliges Kaminfeuer und Landleben. Ansonsten ist nur ein einziges kleines Rehgeweih als Schmuck an einer Wand zu erkennen. Ein paar stehende, übergroße Lampenschirme vermitteln etwas von urbanem Pop und spenden gemeinsam mit der indirekten Beleuchtung sanftes Licht. Der Gast nimmt Platz, spürt Sorgfalt, Witz und Understatement – eine verwandelte Form des traditionellen deutschen Gasthauses, nicht mehr so dunkel und vollgestellt, sondern aufgehellt, freundlich, weltläufig.

Das Einfache wird sehr gut gemacht, so weit wie möglich alles von Hand: wie schwäbische Maultaschen, Spätzle mit Allgäuer Bergkäse, Wiener Schnitzel vom Linumer Wiesenkalb mit Kartoffelsalat, Kaiserschmarrn mit eingemachten Zwetschgen und Apfelstrudel mit Vanillesoße. Dazu werden Weine von deutschen und österreichischen Spitzenwinzern angeboten, eine Reihe davon offen und im 0,1-Literglas, damit der Gast von Gang zu Gang den Wein wechseln kann.

Spiritus Rector und Patronin des Ganzen ist Iris Schmied. Erinnerungen an die Sonntagsausflüge mit den Eltern auf der Schwäbischen Alb riefen bei ihr, der gebürtigen Reutlingerin, immer wieder die Sehnsucht nach dem Gasthaus hervor, gerade in Berlin-Mitte. Es schwebte ihr ein Gasthaus im modernen Sinn vor, Traditionelles mit zeitgemäßem Design, „die gute Mitte“, wie sie sagt.

Schmied hat hinter den Kulissen Strukturen geschaffen, die dafür sorgen, dass kaum etwas schief geht. Die Abläufe sind bestens eingespielt, denn viele Angestellte arbeiten seit Jahren im Betrieb, so auch Olaf Rode, der charmante Restaurantchef und Gastgeber. Stehen bleibt man hier bei aller Beständigkeit ohnehin nie ganz, sondern führt leichte Veränderungen ein. Neuerdings steht auch ein Tagesfisch auf der Karte, dazu gibt es mehr vegetarische Gerichte, wie kleine Gnocchi mit Rahmpilzen, Zuckerschoten und Balsamico-Kirschen. Um den Zulauf von Gästen muss sich die Patronin keine Sorgen machen. Bourgeois-Bohemiens, Leute aus Kunst, Wirtschaft, Politik oder der Nachbarschaft, sie kommen alle.

Erwin Seitz

„Alpenstueck“ in Berlin-Mitte, Gartenstraße 9, Schröderstraße 1

alpenstueck.de