Kulinaria in Zürich

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Schweiz, März 2008

Tief ins Mark

Warum man in Zürich so gut isst

Blick von Zürich auf den Zürichsee und die Alpen
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Es gibt geographische Lagen, die sind so wundervoll, dass dort unweigerlich eine Stadt entstehen muss. Wo der Zürichsee nordwestlich in die Limmat mündet, siedelten schon die Römer. Schaut man an der Nahtstelle zwischen Fluss und See nach Südosten, so hat das Auge alles vor sich, was es sich wünscht: eine unendlich weite Wasserfläche, die Freiheit gewährt, umfasst von Hügelreihen, die dem Ganzen etwas Geborgenes geben, bekrönt in der Ferne von den Zacken des Hochgebirges, die etwas Erhabenes vermitteln.

Die Ausgewogenheit der Landschaft übertrug sich offenkundig auf das frühe städtische Regiment: Ritter, Fernhandelskaufleute und Handwerker verschafften sich im Ratsgremium gleichermaßen Geltung. Der Reformator Ulrich Zwingli schärfte den Bürgern sowohl Fleiß als auch Bescheidenheit ein, doch die dionysische Umgebung mit Weinanbau forderte immer auch ihren Tribut. Heute stellt das Finanzzentrum der Schweiz eine regelrecht newyorkische Geschäftigkeit zur Schau; man spricht ein Schwyzerdütsch-Englisch, sagt Grüezi und macht Business, zugleich liegt etwas Epikureisches in der Luft, der Sinn fürs Wohlleben.

Unteres Seebecken vom Grossmünster gesehen
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Die Gastronomie ist für alles Modische offen, gibt sich international und jugendlich. Doch der Gast entdeckt ebenso Wirte und Hoteliers, die nicht jedem Trend hinterherlaufen, sondern das Gediegene und Erprobte moderat den heutigen Zeitläufen anpassen. Darin liegt wohl eine geheime Stärke dieser Stadt, dass sie die Kraft kultureller Kontinuität ausspielen kann, um sachten Wandel zu vollziehen.

Johann Baur verblüffte einst die Zürcher, als er 1844 sein neues Hotel nicht mehr, wie gewohnt, zur Stadt hin, sondern zum See hin ausrichtete und „Baur au Lac“ nannte. Längst befindet sich zwischen dem Haus und dem See ein hoteleigener Park mit gepflegtem Rasen, mediterraner Bepflanzung und riesigen Mammutbäumen. Ein Hauch von Oxforder College Garden oder Côte d` Azur vermischt sich mit den Schweizer Bergen. Es ist ein Ort der Happy few, doch legt das Luxushotel, das sich nach wie vor im Familienbesitz befindet, auch Wert darauf, neben dem globalen Publikum aus Hochfinanz, Kunst und Politik auch Bürger von Zürich oder weniger mondäne, junge Leute zu bewirten.

Der ideale Ort dafür ist das Zweitrestaurant „Rive Gauche“ mit eigenem Eingang zur Stadt hin. Nach vorübergehenden Irrungen und Wirrungen mit euro-asiatischer Fusionsküche und gehobenen Gartenmöbeln im Inneren wurde das Lokal im Jahr 2005 wieder in einen klassischen Grill verwandelt, wie es einem traditionellen Grandhotel gemäß ist. „Wir wussten selbst nicht mehr, wie wir kochen sollten“, meint heute Küchenchef Olivier Rais. Man riss zuerst Wände heraus, um für Restaurant und Bar eine offene Raumstruktur zu schaffen. Die noble, neogotische Täfelung aus dem Jahr 1895 verbindet sich nun angenehm mit puristisch-komfortablen Möbeln: mit creme- und pistazienfarbenen Stühlen, Polsterbänken und Lampenschirmen. An Speisen gibt es neben Pastagerichten schlichte, edle Grilladen: Hummer, Wachtel, Lamm- und Kalbskotelett oder Simmentaler Rindsfilet. Ähnlich wie im neuen „Grill Royal“ in Berlin entsteht unaufdringlicher Luxus in gepflegter Lässigkeit als ein wichtiger Stil unserer Zeit.

Kronenhalle

Kronenhalle
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Die nicht minder berühmte „Kronenhalle“ lässt sich seit Jahr und Tag nicht aus der Fassung bringen. Die mittelgroße Bierhalle aus dem neunzehnten Jahrhundert mauserte sich im Laufe der Zeit zu einer Brasserie deutschschweizerisch-französischer Prägung, ergänzt durch zwei neue Räume mit einem Anklang von Art déco. Wie das „Baur au lac“ lebt die „Kronenhalle“ nicht zuletzt vom Mythos seiner Gäste, darunter bekannte Dichter und Maler, von denen teilweise Bilder an der Wand hängen, seien es Porträts, seien es Werke von ihnen. „Wir sind ein Lokal mit schönen Bildern“, meint Geschäftsführer Andreas Wyss, „keineswegs ein Museum.“ Immerhin speist der Gast neben originalen Gemälden von Miró oder Picasso. Die Speisen wiederum sind wehrschaft, wie man in Zürich sagt, solid, kräftigend, von echtem Wert und richtiger Beschaffenheit. Es gibt Bouillon mit Flädli und Mark, und man könnte der Meinung sein, das Mark in der Suppe sei noch  besser als eine Gänsestopfleber. Das Zürcher Geschnetzelte mit Rösti schmeckt tadellos. Jeder, der in Zürich auf sich hält, kommt hierher, ähnlich wie man in Wien ins „Schwarze Kameel“ oder in Berlin ins „Borchardt“ geht.

Der traditionelle, starke Einfluss der Handwerker in der Stadt führte dazu, dass es bis in die Gegenwart noch Zünfte und Zunfthäuser gibt, wenngleich die Mitglieder heute längst Bankiers, Manager oder Anwälte sind und jenen Berufsgruppen angehören, die nun Macht und Ansehen besitzen. Das „Zunfthaus zur Zimmerleuten“ gehört prinzipiell zum unerlässlichen Bestandteil eines kulinarischen Rundgangs durch die Stadt. Es war 1708 als prachtvoller, barocker Sandsteinbau an der Limmat errichtet worden und hatte sich eigentlich kaum verändert, bis es im November 2007 von einem Brand erfasst wurde und augenblicklich restauriert wird. Man wünscht sich, dass dort bald wieder die hergebrachte Gastlichkeit als sympathisch-zuverlässige Wiederkehr des Gleichen gepflegt wird, wie gewohnt mit „Zürisee-Suppe“ und „Zunft-Ässete“, einem buchstäblich zünftigen Essen aus Bries, Niere und Leber vom Kalb in Kräuter-Sauerrahm. Den Digestif trinkt man ohnehin am besten in der nicht weit entfernten Panoramabar „Jules Verne“, die zur „Brasserie Lipp“ gehört und hoch oben in einer ehemaligen Sternwarte eingerichtet ist. Es bietet sich ein großartiger Rundblick auf die Stadt, den blinkenden Zürichsee und die ferne Kulisse der Alpen.

ERWIN SEITZ

 

Zunfthaus zur Zimmerleuten
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Restaurant „Rive Gauche“ im Hotel „Baur au Lac“, Talstrasse 1, Tel. 0041 (0) 44 220 50 20, www.bauraulac.ch

Restaurant „Kronenhalle“, Rämistrasse 4, Tel. 0041 (0) 44 262 99 00, www.kronenhalle.com

„Zunfthaus zur Zimmerleuten“, Limmatquai 40, aktuelle Informationen über den Stand der Renovierung über www.zimmerleuten.ch

Panoramabar „Jules Verne“ in der „Brasserie Lipp“, Uraniastrasse 9, Tel. 0041 (0) 43 888 66 66, www.brasserie-lipp.ch

Weitere Informationen über Zürich Tourism, Tel. 0041 (0)44 215 40 00, www.zuerich.com